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Chinarinde - Cinchonae cortex [Ph. Eur. 7.0 (01/2011: 0174)]

Stammpflanzen: Cinchona pubescens VAHL, Cinchona calisaya WEDD., Cinchona ledgeriana MOENS ex TRIMEN Chinarindenbaum [Fam. Rubiacaceae / Rötegewächse]. Synonyme: C. pubescens VAHL: Cinchona succirubra PAV. ex KLOTZSCH. C. calisaya WEDD.:  Cinchona calisaya var. ledgeriana HOWARD, Cinchona carabayensis WEDD., Cinchona ledgeriana (HOWARD) BERN. MOENS ex TRIMEN, Cinchona officinalis auct. C. ledgeriana MOENS ex TRIMEN: Cinchona officinalis L. Hinweis: Die Gliederung der Gattung Cinchona L. ist sehr schwierig. Daher finden sich in der Literatur unterschiedliche Artangaben. Die hier als Stammpflanzen genannten Arten beruhen auf den Angaben im Europäischen Arzneibuch und bei den für diese genannten Synonymen handelt es sich ausschließlich um eine Auswahl der wichtigsten Synonyme. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die zur Drogengewinnung herangezogenen Pflanzen ausschließlich aus Plantagen stammen. Bei diesen handelt es sich in der Regel um keine natürliche Arten sondern um Kreuzungen, die züchterisch zum Zwecke einer optimalen Ausbeute an Arzneistoffen bearbeitet wurden und die zudem meist nur vegetativ vermehrt werden. Aus diesem Grunde nennt das Europäische Arzneibuch als Stammpflanzen neben den oben angeführten natürlichen Arten auch deren Varietäten und Hybriden. Dt. Synonyme: Für alle Arten: Chinabaum, Chininbaum, Fieberrindenbaum. C. calisaya: Gelber Chinarindenbaum. C. pubescens: Roter Chinarindenbaum. Englisch: Für alle Arten: Chinabark, cinchona, quinine. C. calisaya:  ledgerbark, yellow cinchona, yellowbark. C. pubescens: red cinchona, red Peruvian-bark, redbark.

Botanische Beschreibung der Stammpflanzen: Bis etwa 25 m hohe Bäume mit gegenständigen, gestielten Blättern. Der Durchmesser der Stämme reicht bis 30 cm, die Blattspreite ist ungeteilt und ganzrandig. Umriss und Größe der Blätter variieren von Art zu Art von elliptisch-lanzettlich bis rundlich (s. Abbildungen unten) sowie von 10 x 4 cm (C. calisaya) bis 40 x 25 cm (C. pubescens). Die Blüten sind in in reichblütigen, endständigen Rispen angeordnet, die bis zu 35 cm lang sein können. Die Blüten sind radiärsymmetrisch, rot, rosa oder gelblich weiß. Der Kelch ist klein, glockenförmig und fünfzähnig, die Krone stieltellerförmig. Sie setzt sich zusammen aus einer relativ langen Röhre und fünf mehr oder weniger rechtwinkelig abstehenden, zum Teil behaarten (C. pubescens, C. ledgeriana) Kronzipfeln. Die fünf Staubblätter sind mit den Kronblättern verwachsen und nahezu in der Röhre verborgen. Der aus zwei Fruchtblättern gebildet Fruchtknoten ist unterständig und zweifächrig. Aus ihm entwickelt sich eine von unten nach der Spitze zu aufspringende Kapsel, die zahlreiche geflügelte Samen enthält.

Verbreitung: Heimisch im tropischen Amerika von etwa 10 ° nördlicher (Costa Rica) bis 20 ° südlicher Breite (Bolivien). Vorwiegend verbreitet in den Nebel- und Bergregenwäldern der Anden in einer Höhe von 1600 bis 2400 m Höhe, in denen die Bäume zerstreut wachsen. In kultivierter Form heute in zahlreichen tropischen Ländern zu finden, in der Karibik, auf den Kapverdischen Inseln, Galapagos-Inseln und Hawaii auch verwildert an natürlichen Standorten.

Droge: Die ganze oder geschnittene, getrocknete Rinde von Cinchona pubescens VAHL, Cinchona calisaya WEDD., Cinchona ledgeriana MOENS ex TRIMEN, von deren Varietäten oder von Hybriden, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Alkaloiden von 6,5 Prozent aufweisen, davon 30 bis 60 Prozent Alkaloide vom Chinin-Typ.

Beschreibung der Droge: Sowohl die von Stämmen als auch die von den Zweigen gewonnene Droge besteht aus röhrenförmigen oder gebogenen, 2 bis 6 mm dicken Stücken. Die oft mit Flechten besetzte, matt bräunlich graue oder graue äußere Oberfläche ist meistens rau mit Querrissen und in der Längsrichtung gefurcht oder runzelig. Die Außenrinde kann je nach Varietät der Ursprungspflanze abspalten. Die innere Oberfläche ist längs gestreift und meist dunkel rötlich braun, bei von C. calisaya stammender Droge gelbbraun. Der Bruch ist außen kurz und innen faserig. Die Schnittdroge besteht aus meist rotbraun gefärbten, unregelmäßig geformten, viereckigen Stücken mit einem Durchmesser von ca. 0,5 cm.

Geruch und Geschmack: Schwacher, aber charakteristischer Geruch und intensiv bitterer, leicht adstringierender Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Apothekerrinde, Fieberrinde, Rote Chinarinde. Englisch: Cinchona bark, Jesuit's bark, Peruvian bark, Red bark, Red Cinchona bark. Lateinisch: Chinae cortex, Cinchona, Cortex Chinae, Cortex Cinchonae. Die von C. calisaya stammende Chinarinde wird häufig unter folgenden Bezeichnungen separat erfasst: Deutsch: Gelbe Chinarinde, Gelbe Königsrinde, Königschinarinde. Englisch: Calisaya bark, yellow bark, yellow Cinchona bark, Peruvian bark. Lateinisch: Cortex Chinae regiae; Cortex Cinchonae calisayae.

Herkunft: Nahezu ausschließlich aus dem Anbau. Hauptlieferländer sind Indonesien (Java), Indien und Sri Lanka. Weitere Drogenimporte erfolgen aus Südafrika und die südamerikanischen Ursprungsländern der Stammpflanze.

Gewinnung der Droge: In der Regel wird die Droge von 10 bis 12 Jahre alten Bäumen gewonnen, da zu diesem Zeitpunkt die Pflanzen einen optimalen Alkaloidgehalt aufweisen. In Kulturen wird meist gerodet, da so neben der Stamm- und Zweigrinde auch die Wurzelrinde geerntet werden kann ("Rodewaldverfahren"). Die Stamm- und Zweigrinde löst sich nach dem Abklopfen und lässt sich nachfolgend leicht abtrennen, die Wurzelrinde wird mit dem Messer geschält. Nur noch selten werden die Bäume gefällt ("Schlagwaldverfahren"). In diesem Fall lässt man die Wurzeln treiben und erntet nach weiteren fünf bis sechs Jahren die diesen entsprungenen Schößlinge. Das Trocknen der Droge erfolgt zunächst in der Sonne und anschließend im Trockenapparat bei einer maximalen Temperatur von 70 ° C.

Inhaltsstoffe: Alkaloide: Gehalt 5 bis 15 %, davon 30 bis 60 % Chinolin-Alkaloide vom Typ des Chinins. Wichtigste Komponenten sind die Diastereomerenpaare (-)-Chinin (Absolutgehalt 0,02 bis 0,4%) und (+)-Chinidin (0,02 bis 0,4%) sowie (+)-Cinchonin (1,5 bis 3%) und (-)-Cinchonidin (1,5 bis 5%). Bei den verbleibenden Alkaloiden handelt es sich hauptsächlich um Indol-Alkaloide vom Cinchonan-Typ. Triterpenglykoside: Bitter schmeckende Derivate der Chinovasäure (Chinovasäure-3-chinovosid und Chinovasäure-3-glucosid) sowie in geringer Menge das Cincholsäure-3-chinovosid. Gerbstoffe: 3 bis 5% Catechin-Gerbstoffe, daneben auch Phlobaphene. Weitere Phenolische Verbindungen: Chinasäure, Kaffeesäure und die als Vorstufen der der Chinarinden-Gerbstoffe geltenden Cinchonaine Ia, Ib, Ic, Id, IIa und IIb.

Wirkungen: Die Inhaltsstoffe der Chinarinde besitzen vielfältige Wirkungen. Bedeutungsvollste Komponenten sind Chinin und Chinidin. Chinin besitzt stark lokal reizende Eigenschaften. Sensorische Nerven werden zunächst erregt und später gelähmt, so dass eine lang anhaltende lokalanästhetische Wirkung resultiert. Gegenüber einzelligen Organismen besitzt es eine abtötende Wirkung. Besonders bedeutungsvoll ist diesbezüglich die Wirksamkeit gegen die Malaria verursachenden Plasmodien, deren Vermehrung innerhalb der roten Blutkörperchen gehemmt wird. Chinidin wirkt auf die erregbaren Herzmuskelzellen ähnlich wie ein Lokalanästhetikum. Der Effekt ist den unterschiedlichen Regionen des Myokards jedoch qualitativ unterschiedlich ausgeprägt. Chinarinde selbst sowie aus ihr hergestellte Extrakte bewirken aufgrund ihres bitteren Geschmacks ein Förderung der Magensaft- und Speichelsekretion.

Anwendungsgebiete: Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden wie Blähungen und Völlegefühl. Das aus der Droge isolierte Chinin wurde hat seine Bedeutung als Malariamittel nahezu verloren. Chinidin wird gelegentlich zur Behandlung bestimmter Formen von Herzrhythmusstörungen verwendet, darunter insbesondere Vorhofflattern und Vorhofflimmern.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Innerlich bei grippalen Infekten, Milzvergrößerung, Muskelkrämpfen, Muskelschmerzen, Appetitlosigkeit, Krebs und Magenbeschwerden, äußerlich bei Abschürfungen und Geschwüren. Ein Wirksamkeitsnachweis fehlt für sämtliche der genannten Indikationen.

Gegenanzeigen (von Chinarinde): Schwangerschaft, Überempfindlichkeit gegen Cinchona-Alkaloide wie Chinin oder Chinidin.

Unerwünschte Wirkungen (von Chinarinde): Gelegentlich können Überempfindlichkeitsreaktionen wie Hautallergien oder Fieber auftreten. In seltenen Fällen ist eine erhöhte Blutungsneigung durch Verminderung der Blutplättchen zu beobachten (Thrombocytopenie). In diesen Fällen ist sofort ein Arzt aufzusuchen.

Wechselwirkungen (von Chinarinde) mit anderen Mitteln: Verstärkung der Wirkung von Mitteln, welche die Blutgerinnung hemmen.

Dosierung und Art der Anwendung: Angewendet wird Chinarinde überwiegend in Form von Fertigpräparaten. Gleichfalls möglich ist auch die Verwendung eines Tees oder Flüssigextrakts. Die empfohlene Tagesdosis beträgt 1 bis 3 g Droge. Bei Appetitlosigkeit 1 Teelöffel (ca. 1,7 g) geschnittene Chinarinde mit 1 Tasse kochendem Wasser übergießen und nach 10 Minuten durch ein Teesieb geben. Mehrmals täglich eine Tasse frisch bereiteten Teeaufgusse eine halbe Stunde vor den Mahlzeiten einnehmen. Bei allgemeinen Verdauungsbeschwerden Tee wie oben beschrieben zubereiten, jedoch nach den Mahlzeiten trinken trinken.

Sonstige Verwendung: Als Bestandteil von Haarwässern und Zahnputzmitteln Chinarindenextrakte sowie reines Chinin werden in der Getränke- und Lebensmittelindustrie als Bittermittel verwendet (bitterer Geschmack von Tonic-Water).

Geschichtliches und Allgemeines: Der wissenschaftliche Gattungsname "Cinchona" geht angeblich darauf zurück, dass die Gräfin Anne Chinchon, Gattin des spanischen Vizekönigs von Peru, durch die Rinde des Baumes von der Malaria geheilt wurde. Allerdings hat sie sich niemals in Südamerika aufgehalten! Bei der deutschen Bezeichnung "Chinabaum" handelt es sich um einen der irreführendsten Pflanzennamen überhaupt, denn mit dem Land China hat die Pflanze keinerlei Beziehung (s. oben). In Quechua, der auch heute noch von den Indianern Südamerikas aktiv gesprochenen Sprache, heißt die Pflanze "quina quina" = "Rinde der Rinde". Dies wurde in die deutsche Sprache in Chinarinde und als Artbezeichnung in Chinabaum übertragen.
Infolge der südamerikanischen Heimat war die Pflanze den Europäern unbekannt, so dass sie weder im Altertum noch in der mittelalterlichen Klosterheilkunde genutzt wurde. Die Entdeckung der Wirksamkeit der Rinde des Baumes gegen die auch als Wechselfieber bezeichnete Malaria geht auf die Spanier zurück. Der erste Nachweis von Wirksamkeit und Nutzung stammt aus dem Jahre 1630, in dem der spanische Corregidor von Loxa, Don Juan Lopez de Canizares, seine Genesung vom Wechselfieber der Chinarinde verdankt. Ungeklärt ist bis heute, ob die Inka Kenntnis von der Wirkung der Pflanze hatten.


Bilder:

Gemeinsames Merkmal aller Cinchona-Arten sind die gegenständig angeordneten, ganzrandigen Blätter sowie die in recht langen Rispen angeordneten kleinen Blüten. Die einfachste morphologische Unterscheidung der einzelnen Arten ist anhand der Form der Blätter möglich. Die Abbildungen zeigen von links nach rechts C. calysaya, C. pubescens und C. ledgeriana.


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, 2. Nachtrag und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Hänsel R, Sticher O, Steinegger E, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1999; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 22a vom 01.02.1990; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke