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Lindenblüten - Tiliae flos [Ph. Eur. 5. Ausgabe, Grundwerk 2005]

Stammpflanzen: Tilia cordata MILL. / Winterlinde und Tilia platyphyllos SCOP. / Sommer-Linde [Fam. Tiliaceae / Lindengewächse]. Synonyme: Tilia cordata: Tilia europaea L. g ulmifolia, Tilia microphylla VENT., Tilia parvifolia EHRH., Tilia sylvestris DESF., Tilia ulmifolia SCOP. Tilia platyphyllos: Tilia europaea L. p. p., Tilia grandiflora EHRH. ex W. D. J. KOCH, Tilia officinarum CRANTZ, Tilia rubra DC. Dt. Synonyme: Tilia cordata: Spätlinde, Steinlinde, Waldlinde. Tilia platyphyllos: Frühlinde, Graslinde.

Botanische Beschreibung der Stammpflanzen: Tilia cordata: Stattlicher, über 25 m hoher Baum mit kräftiger, mehrfach verzweigter Pfahlwurzel und weitgreifenden Seitenwurzeln. Der Stamm ist dick und besitzt eine zunächst glatte und braune, später längsgefurchte und schwärzliche Borke. Bei freistehenden Individuen ist er relativ kurz. Bereits recht weit unten entspringen viele kräftige Äste, die eine flache und dichte Krone bilden.  Im geschlossenen Bestand ist er länger. Die kräftigen Seitenäste entspringen weiter oben und bilden eine mehr kugelige Krone. Die Laubblätter sind bis 10 cm lang. Sie besitzen einen 0,6 bis 4,5 cm langen, kahlen Stiel und eine rundliche, etwas asymmetrische Spreite, die am Grund mehr oder weniger seicht herzförmig ist, vorn in eine kurze, aufgesetzte Spitze ausgezogen ist und einen scharf gesägten Rand aufweist. Die Oberseite ist dunkelgrün, auf den Adern drüsenhaarig. Die Unterseite ist blass bläulichgrün. In den Winkeln der Adern befinden sich rostfarbene Haarbüschel aus langen Deckhaaren. Die Blütenstände bestehen aus 4 bis 15 Blüten. An ihrem Grund befindet sich ein unauffälliges, schuppenförmiges sowie ein großes, linealisch-längliches, zungenförmiges, ganzrandiges, dünnhäutiges, grünlichgelbes Deckblatt. Die Blüten sind 5zählig und radiärsymmetrisch. Die Kelchblätter sind graugrün, eiförmig und spitz, die Kronblätter gelbgrünlichweiß, verkehrt-eilänglich, bis 8 mm lang und mehr oder weniger aufgerichtet. Staubblätter bis 30, etwa so lang wie die Kronblätter, Fruchtknoten aus 5 Fruchtblättern, 1 Griffel mit fünfkerbiger Narbe, kürzer als die Staubblätter. Frucht bis 8 mm lang, fast kugelig, einsamig, dünnschalig und zerbrechlich. Zur Fruchtreife erfolgt die gemeinsame Verbreitung des gesamten Fruchtstandes, wobei das große Deckblatt als Flugapparat dient. Tilia platyphyllos: Stattlicher, zuweilen bis 40 m hoher Baum. Sehr ähnlich der zuvor beschriebenen Art, jedoch mit groberer, rissiger und schwärzlicher Borke. Laubblätter mit stärker behaarten Stielen, in der Form wie T. cordata, im Durchschnitt aber deutlich größer und mit weißlichen Haarbüscheln in den Winkeln der Adern auf der Unterseite der Spreite. Blütenstände meist nur mit 3 bis 5 nickenden Blüten. Staubblätter bis 40, Griffeln mit 5 aufrechten Lappen.

Verbreitung: T. cordata in Europa von Spanien, Frankreich, Mittelitalien bis England, Südschweden und Südnorwegen, östlich bis zum russischen Steppengebiet, meist zerstreut auf frischen bis trockenen Böden in Laubmischwäldern, zuweilen auch in reinen Laubwäldern oder Laub- und Nadelmischwäldern, besonders allerdings angepflanzt in Dörfern, als Alleebaum und in Parkanlagen. T. platyphyllos besonders in Mitteleuropa und England, im Süden bis Zentralspanien und Süditalien, im Südosten bis zum Kaukasus, fehlend in Skandinavien und küstennahen Bereichen ganz Europas, meist zerstreut auf frischen und tiefgründigen Böden in Laub- oder Laub-Nadelmischwäldern, Buchen- und Erlenbeständen, häufig auch in Dörfern, Parkanlagen und an Straßen.

Droge: Die ganzen, getrockneten Blütenstände der beschriebenen Arten, ihrer Hybriden oder einer Mischung dieser Arten.

Beschreibung der Droge: Die Droge besteht aus dem gesamten Blütenstand, dem neben den Blüten und ihren Stielen auch die der Verbreitung dienenden Hochblätter angehören. Diese sind gelbgrün gefärbt, zungenförmig, häutig (sehr brüchig und fast durchscheinend) und fast kahl. Das zentrale Gefäß des Hochblattes ist etwa bis zur Hälfte mit dem Blütenstand verwachsen. Die Anzahl der Einzelblüten schwankt, je nach verwendeter Art, zwischen 2 und 16. Die Blüten bestehen aus etwa 6 mm langen, leicht abfallenden Kelchblättern, die außen kahl und an der Innenseite sowie den Rändern dicht behaart sind, 5 spatelförmigen, bis 8 mm langen, dünnen, gelblichweißen Kronblättern sowie zahlreichen freien Staubgefäßen, die meist in fünf Gruppen angeordnet sind. Der Fruchtknoten ist oberständig und trägt einen Griffel, der in einer wenig ausgeprägten Narbe mündet.

Geruch und Geschmack: Der Geruch ist schwach aromatisch, der Geschmack schwach süß und schleimig.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Flores Tiliae, Flos Tiliae.

Herkunft: Überwiegend aus Norditalien, Österreich, den Balkanländern, Polen und Russland.

Inhaltsstoffe: Etwas über 1 % Flavonoide, fast ausschließlich Glykoside der Flavonole Quercetin und Kämpferol, darunter mit dem Aglykon Quercetin u. a. das Isoquercitrin, Quercitrin, Hyperosid und Rutin sowie mit dem Aglykon Kämpferol u. a. das Astragalin und Afzelin (Kämpferol-3-O-rhamnosid) sowie das Tilirosid, bei dem es sich um einen p-Cumarsäureester des Afzelins handelt, ca. 10 % Schleimstoffen, 2 % Gerbstoffe vom Catechin- und Gallocatechin-Typ, verschiedene Phenylpropansäuren und etwa 0,2 % ätherisches Öl, welches sowohl aus verschiedenen n-Alkanen, Phenylpropanen und Monoterpenen besteht (insgesamt ca. 70 Komponenten nachgewiesen).

Wirkungen: Eine schweißtreibende (diaphoretische), antitussive, adstringierende, diuretische, sedierende und analgetische Wirkung wird der Droge zugeschrieben, jedoch fehlt fast ausnahmslos ein eindeutiger Nachweis der Wirkung.

Wirkungsmechanismus: Die schweißtreibende Wirkung konnte bislang keinen Inhaltsstoffen zugeschrieben werden. Aus diesem Grund wird vielfach vermutet, dass die diaphoretische Wirkung auf der alleinigen Zufuhr großer Mengen heißer Flüssigkeit beruht.

Anwendungsgebiete: Erkältungskrankheiten und damit verbundener Husten.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: In der Volksheilkunde als Diaphoretikum bei fieberhaften Erkrankungen, Rheuma, Nephritis (Nierenentzündung) und Ischias, zur Behandlung von Krämpfen, Magenbeschwerden, Unruhezuständen, Hysterie, Hypochondrie, Migräne und Arteriosklerose. Als Badezusatz bei Krämpfen und Nervenüberspannungen von Kindern. Die Wirksamkeit bei diesen Anwendungsgebieten ist nicht belegt.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Soweit nicht anders verordnet 2 bis 4 g Droge täglich. Zur Teebereitung werden 2 g Lindenblüten (1 Teelöffel entspricht ca. 1,8 g) mit kochendem Wasser übergossen oder mit kaltem Wasser angesetzt und kurz zum Sieden erhitzt. Nach 5 bis 10 min durch ein Sieb gegeben.


Bilder:

Auffällige Merkmale der offizinellen Linden-Arten sind die Tragblätter der Blütenstände, die zur Fruchtreife als Flugapparat für die in ihrer Gesamtheit verbreiteten Fruchtstände dienen, und die radiärsymmetrischen Blüten mit den gelbgrünlichweißen Kronblättern und den zahlreichen Staubblättern. Eine Unterscheidung beider Arten ist u. a. durch die Anzahl der Blüten pro Blütenstand möglich, die bei T. cordata allgemein höher als bei T. platyphyllos ist, wo meist nur drei Blüten vorhanden sind, sowie durch die Behaarung in den Winkeln der Adern auf der Unterseite der Blattspreite (bei T. cordata rostfarben-bräunlich, s. Abbildung rechts, bei T. platyphyllos schmutzigweiß).


Literatur: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Folgeband 3, Drogen L-Z, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1998; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 164 vom 01.09.1990; Europäisches Arzneibuch 1997 sowie 5. Ausgabe, Grundwerk 2005.


© Thomas Schöpke