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Belladonnablätter - Belladonnae folium [Ph. Eur. 7.0 (04/2010: 0221)]

Stammpflanze: Atropa bella-donna L. / Tollkirsche [Fam. Solanaceae / Nachtschattengewächse]. Synonyme: Atropa lethalis SALISB., Atropa lutescens JACQ. ex C. B. CLARKE, Atropa pallida BORNM., Belladonna baccifera LAM., Belladonna trichotoma SCOP. Dt. Synonyme: Chrottenblueme, Deiwelskersche, Judenkernlein, Judenkirsche, Rasewurz, Schwarzber, Teufelsauge, Teufelsberi, Teufelsglückle, Teufelskirsche, Tintenbeer, Tollbeere, Tollkraut, Waldnachtschatten, Wolfsbeere, Wolfskirsche. Englisch: Banewort, deadly nightshade, dway berries, morel.
Botanische Beschreibung der Stammpflanze: In Mitteleuropa im Juni und Juli blühende, 1 bis 2 m hohe Staude mit dickem, walzenförmigen Wurzelstock. Die bis 15 cm langen, ganzrandigen Blätter sind eiförmig-zugespitzt und flaumig behaart. Die einzeln stehenden Blüten sind überhängend. Der fünfspaltige Kelch ist zur Fruchtreife sternförmig ausgebreitet. Die 2,5 bis 3,5 cm langen, violetten, innen schmutzig gelben, purpurrot geaderten Kronblätter sind röhrig-glockig verwachsen. Aus dem oberständigen Fruchtknoten entwickelt sich eine kugelige, zuerst grüne, dann glänzend schwarze, kirschgroße Beere, die viele eiförmige, schwarze Samen enthält.
Verbreitung:
Auf Kalk in schattigen Bergwäldern, auf Waldlichtungen und an Säumen in W-, M- und S-Europa, östlich bis Kleinasien, südlich bis N-Afrika, nördlich bis Dänemark, Schweden, Irland.
Droge: Die [überwiegend aus Wildvorkommen in Ost- und Südosteuropa stammenden, zur Blütezeit gesammelten, bei 40-60 °C getrockneten] Blätter oder Blätter mit blühenden Zweigspitzen und gelegentlich Früchten, die einen Gesamtalkaloidgehalt von mindestens 0,3 % aufweisen, berechnet als Hyoscyamin und bezogen auf die getrocknete Droge.
Beschreibung der Droge: Die oft zerdrückten und zusammengerollten Blätter sind grün bis braungrün gefärbt und auf der Oberseite meist etwas dunkler. Die bei alten Blättern schwach und bei jungen Blättern stark behaarte, ungeteilte, breit eiförmige und eine scharfe Spitze besitzende Blattspreite ist 5 bis 25 cm lang und 2,5 bis 12 cm breit. Der Blattstiel ist im Durchschnitt 0,5 bis 4 cm lang. Neben den Blättern finden sich Zweigspitzen mit Blüten und Früchten, die in den Blattachseln entspringen und die besonders durch die Kelchblätter mit dreieckigen Zipfeln charakterisiert sind.
Geruch und Geschmack: Schwach widerlicher Geruch und unangenehmer, schwach bitterer Geschmack.
Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Tollkirschenkraut, Tollkraut, Waldnachtschattenblätter, Wolfsbeerenblätter, Wolfskirschenblätter. Englisch: Belladonna herba, Belladonna leaves, black cherry leaves, deadly nightshade leaves, dwale leaves, dwayberry leaves. Lateinisch: Belladonnae herba, Folia Belladonnae, Herba Belladonnae.
Inhaltsstoffe: Alkaloide: Gehalt 0,2 bis max. 2 %, durchschnittlich 0,3-0,5 %. Bestehend aus bis fast 90 % L-Hyoscyamin, daneben ca. 7 % Apoatropin, 3 % Tropin, 2 % Scopolamin. Weitere Bestandteile: Flavonoide, insb. Quercetin- und Kämpferolderivate, Cumarine und bis 10 % Gerbstoffe
Wirkungen: Die Wirkungen der Droge entsprechen allgemein denen von (-)-Hyoscyamin bzw. dem des Racemats Atropin, d. h. parasympatikolytische Wirkung mit einer allgemeinen Erschlaffung der glatten Muskulatur und einer Aufhebung spastischer Zustände vor allem im Bereich des Gastrointestinaltrakts und der Gallenwege. In höheren Dosen auch Antagonisierung der Wirkungen von Acetylcholin an Ganglien und motorischen Endplatten (nikotinerge Acetylcholinwirkung) und seiner Transmitterfunktion im Gehirn und damit zentralerregende Wirkung.
Anwendung:
Spasmen und kolikartige Schmerzen im Bereich des Gastrointestinaltrakts.
Dosierung und Art der Anwendung: Infolge geringer therapeutischer Breite nur in Form von auf einen bestimmten Arzneigehalt eingestelltem Pulver (Belladonnae pulvis normatus) und von Zubereitungen. Maximale Einzeldosis entsprechend 0,60 mg Gesamtalkaloide, maximale Tagesdosis entsprechend 2,2 mg Gesamtalkaloide.
Anwendungsbeschränkungen: Nicht anzuwenden in der Stillzeit sowie bei tachykarden Arrhythmien, Prostataadenom mit Restharnbildung, Engwinkelglaukom, akutem Lungenödem, mechanischen Stenosen im Bereich des Magen-Darm-Traktes, daneben auch nicht bei sehr hoher Außentemperatur (Gefahr der Hyperthermie durch verminderte Schweißsekretion).
Akute Toxizität: Bis zu einer etwa 3,0 mg Atropin entsprechenden Menge Drogenmaterial Vergiftungssymptome, die auf die peripheren Atropinwirkungen zurückzuführen sind (Rötung des Gesichts, Trockenheit der Schleimhäute mit Durstgefühl, Schluckstörungen und Heiserkeit, beschleunigter Puls sowie Mydriasis mit maximal erweiterten, starren Pupillen), ab etwa 3,0 mg Atropin zentral erregende Wirkung mit starker motorischer Unruhe, Rededrang, Halluzinationen, Delirien und Tobsuchtsanfällen, die meist in Schlaf und Erschöpfung enden, bei noch höheren Dosen zentrale Lähmung mit Gefahr des Atemstillstands. Die letale Dosis beginnt bei Erwachsenen bei 100 mg Atropin bzw. 10 mg (-)-Hyoscyamin, bei Kindern bei wenigen mg Atropin.
Chronische Toxizität: Bei missbräuchlicher Verwendung als Rauschdroge kommt es zur allmählichen Verblödung.
Allgemeine Therapiemaßnahmen bei akuter Vergiftung: Mit Salzwasser alsbaldiges Erbrechen auslösen, Magenspülung mit Natriumsulfat und Aktivkohle, Umschläge mit nassen Tüchern zur Senkung der Körpertemperatur (keine Antipyretika!).


Bilder:

Die Tollkirsche ist eine bis 2 m hoch werdende Staude, die auf kalkhaltigen Böden in Bergwäldern, auf Waldlichtungen und an Säumen anzutreffen ist (s. Abbildung links oben). Die einzeln stehenden Blüten besitzen eine zu einer glockigen Röhre verwachsene, violett gefärbte Krone (s. Abbildung links unten). Für den Namen der Pflanze verantwortlich sind die zur Reife fast schwarz gefärbten Früchte (s. rechte Abbildung), deren äußeres an Kirschen erinnert und deren Genuss ab einer bestimmten Dosis zu Tobsuchtsanfällen führen kann.


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 sowie 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 3, Drogen A-D, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1993; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database].


© Thomas Schöpke