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Schwarznesselkraut - Ballotae nigrae herba
[Ph. Eur. 7.2 (01/2011: 1858)]

Stammpflanze: Ballota nigra L. / Schwarznessel [Fam. Lamiaceae / Lippenblütengewächse]. Synonyme: Ballota alba L., Ballota aristata RCHB., Ballota ballota LUTZ, Ballota borealis SCHWEIGG., Ballota foetida LAM., Ballota ruderalis SWARTZ, Ballota vulgaris HOFFM. et LINK, Ballota sepium PAULET AP. PERS., Ballota silvestris HOFFM. et LINK, Marrubium nigrum CRANTZ. Dt. Synonyme: Feld-Andorn, Gottvergess, Gottvergessen, Krodenkraut, Schwarze Ballote, Schwarze Taubnessel, Schwarzer Andorn, Stinkandorn, Stinknessel, Zahnlose. Englisch: black hemp-nettle, black horehound, stinking horehound.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Mehrjähriges, bis etwa 1 m hohes, unangenehm riechendes Kraut mit kurzem, kriechendem Wurzelstock. Stengel aufrecht, meist ästig verzweigt und in der Regel locker weich behaart, trübgrün, oft braunviolett überlaufen. Laubblätter gestielt, Blattstiel 0,5 bis 1 cm lang, Blattspreite eiförmig bis fast kreisrund, im Durchschnitt 2 cm lang und 1,5 bis 3,5 cm breit, beiderseits behaart oder auf der Oberseite verkahlend und etwas glänzend, Unterseite durch stark hervortretende Nerven runzelig. Blüten sitzend oder kurz gestielt, in 4- bis 10-blütigen, lockeren und ihrerseits kurz gestielten Trugdolden in den Achseln gewöhnlicher Stengelblätter. Tragblätter der Einzelblüten pfriemlich, halb so lang bis so lang wie die Kelchblätter. Kelch röhrig-trichterförmig, flaumig bis seidig zottig behaart, mit zehn kräftig hervortretenden Nerven und fünf begrannten Zähnen. Krone rötlich-lila, selten weiß, Kronröhre etwas kürzer als die Kelchröhre, am Grund mit einem Haarring. Oberlippe elliptisch, wenig gewölbt, außen angedrückt weiß behaart, Unterlippe genauso lang wie die Oberlippe, weißlich gezeichnet, mit verkehrt-eiförmigem, oft ausgerandetem oder schwach gezähneltem Mittellappen. Staubblätter 4, am Grund schwach behaart, mit kleinen, stark spreizenden Pollensäcken.

Verbreitung: Heimisch mit Ausnahme Ägyptens und Lybiens im gesamten Mittelmeergebiet, in Süd- und Mitteleuropa und in Südskandinavien. Im Osten reicht das Verbreitungsgebiet über den Kaukasus hinaus bis in den Iran. Bevorzugt anzutreffen an vom Menschen beeinflussten Standorten wie Wegränder, Schuttplätze und Mauern.

Droge: Die zur Blütezeit gesammelten, getrockneten Spitzen der Stengel von Ballota nigra L., die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Gesamt-ortho-Dihydroxyzimtsäurederivaten von 1,5 Prozent aufweisen, berechnet als Acteosid.

Beschreibung der Droge: Bestandteil der Droge sind Stengel, Blätter und Blüten. Stengel deutlich sichtbar 4-kantig, längs gestreift, dunkelgrün oder rötlich braun und mehr oder weniger behaart. Laubblätter graugrün, gestielt, Blattspreite eiförmig bis kreisrund, 2 bis 4 cm breit, mit keil- bis herzförmiger Basis und unregelmäßig gekerbtem Rand, beiderseits mit zahlreichen weißlichen Haaren, Blattnervatur auf der Unterseite hervortretend, auf der Oberseite nur leicht vertieft. Blüten sitzend oder sehr kurz gestielt. Kelch trichterförmig, dicht behaart, mit 10 hervortretenden Nerven und 5 annähernd gleichen, weitgehend ovalen Zähnen. Blütenkrone 2-lippig, purpurrot, Kronröhre etwas kürzer als die Kelchröhre, obere Lippe außen behaart, Unterlippe bestehend aus 3 Lappen, von denen der mittlere eingekerbt ist. Die Schnittdroge ist gekennzeichnet durch gefaltete, grüne, behaarte Blattstückchen, einzelne, grünrosa gefärbte Kelche, vierkantige, hohle oder markhaltige, grünbraune Stengelstücke sowie schwarzbraune, bis 2 mm lange Früchte.

Geruch und Geschmack: In frischem Zustand mit widerlichem, ekelerregenden Geruch. Geschmack ebenfalls unangenehm.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Keine gebräuchlich. Englisch: Black horehound, ballota. Lateinisch: Ballotae herba, Marrubii nigri herba.

Herkunft: Aus dem Anbau oder durch Sammlung aus Wildbeständen in den Ländern des südlichen Mittel- und Osteuropas.

Inhaltsstoffe: Diterpene: Hauptinhaltsstoff Ballotenol, Nebenkomponenten Marrubiin, 7-Acetoxymarrubiin, Ballotinon und Ballonigrin. Flavonoide: Glykoside des Apigenins, Luteolins, Chrysoeriols, Acacetins und Scutellarein. Ätherisches Öl (verantwortlich für den unangenehmen Geruch der Droge): Gehalt ca. 0,01%. Phenolische Inhaltsstoffe: Kaffeesäure, Ferulasäure, Chlorogensäure und Salicylsäure. Gerbstoffe: Gehalt zwischen 9 und 12 %, Strukturtyp der Komponenten unbekannt.

Wirkungen: Der Droge werden krampflösende und beruhigende Eigenschaften zugesprochen. Ein Nachweis einer dieser Wirkungen konnte bis heute nicht erbracht werden.

Anwendungsgebiete: Aufgrund fehlender pharmakologischer Untersuchungen und klinischer Studien nur in der Volksheilkunde verwendet.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Besonders in Frankreich verwendet zur symptomatischen Behandlung nervöser Beschwerden von Erwachsenen und Kindern, besonders bei leichten Schlafstörungen, sowie zur symptomatischen Behandlung von Hustens. Kombiniert mit Passionsblumenkrauttinktur bei klimakterischen Beschwerden, ferner zur Steigerung des Gallenflusses, bei Übelkeit und Erbrechen sowie als Spasmolytikum bei Magenbeschwerden und Keuchhusten, äußerlich gegen Gicht. Eine Wirksamkeit wurde bisher für keine der angegebenen Indikationen nachgewiesen.

Gegenanzeigen: Keine bekannt. Aufgrund fehlender toxikologischer Untersuchungen sollte eine Anwendung über einen längeren Zeitraum sowie die Verwendung höherer Dosen vermieden werden.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.
Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die Anwendung kann als Tee, Flüssigextrakt oder Tinktur erfolgen. Der Tees ist aus 2 bis 4 g Droge herzustellen und dreimal täglich anzuwenden.


Bilder:

Aus dem kriechenden Wurzelstock der Schwarznessel entspringen meist mehrere Stengel, so dass die Pflanze in der Regel eine "buschige" Gestalt aufweist (s. Abbildung links). Die Blüten sind in kurz gestielten Trugdolden angeordnet, die in den Achseln normal gestalteter Laubblätter entspringen. Neben den begrannten Kelchzähnen fällt an den Blüten besonders die Behaarung der Kronoberlippe auf (s. Abbildung rechts).


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, 2. Nachtrag sowie 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; van Wyk BE, Wink C, Wink M, Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004.


© Thomas Schöpke