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Weidenrinde - Salicis cortex [Ph. Eur. 5. Ausgabe, Grundwerk 2005]

Stammpflanzen: Salix purpurea L., Salix daphnoides VILLARS, Salix fragilis L. und andere Salix-Arten / Weide [Fam. Salicaceae / Weidengewächse]. Englisch: Willow.

Botanische Beschreibung der Stammpflanzen: Sommergrüne Bäume oder Sträucher mit schraubig angeordneten, kurz gestielten, ungeteilten Blättern unterschiedlicher Form, auf der Unterseite mehr oder weniger behaart. Pflanzen zweihäusig, Blüten in als Kätzchen bezeichneten Ähren, die vor oder mit den Laubblättern erscheinen.

Verbreitung: Kosmopoliten mit Verbreitungsschwerpunkt in nördlicher gemäßigter Hemisphäre. In arktischer Zone Zwerg- oder Spaliersträucher.

Droge: Die möglichst im Frühjahr gesammelte, ganze oder geschnittene, getrocknete Rinde junger Zweige oder im Erntejahr entwickelte junge Triebe der oben genannten Stammpflanzen, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgesamtsalicingehalt an Salicylsäurederivaten von 1,5 % aufweisen (berechnet als Salicin; bestimmt mittels HPLC).

Synonyme Drogenbezeichnungen: Englisch: willow bark. Lateinisch: Cortex Salicis.

Herkunft: Droge überwiegend aus dem ehemaligen Jugoslawien, Bulgarien, Ungarn und Rumänien.

Inhaltsstoffe: Phenolglykoside. Überwiegend Ester des Salicins, darunter als Hauptverbindungen Salicortin, Tremulacin und 2'-Acetylsalicortin. Mengenverhältnisse und absoluter Gehalt innerhalb der Gattung stark schwankend (je nach Art zwischen 1,5 und etwa 11 %). Ferner zahlreiche Flavonoide.

Wirkungen: Antipyretisch, antiphlogistisch, analgetisch. Für die Wirkung verantwortlich ist die aus den Phenolglykosiden freigesetzte Salicylsäure, die 86 Prozent der im Serum nachweisbaren Salicylate ausmacht. Die Bioverfügbarkeit von reinem Salicin beträgt ca. 43 Prozent. Unklar ist bis heute, in welchen Organen bzw. Geweben des menschlichen Körpers die Hydrolyse des Salicins und die Oxidation zu Salicylsäure erfolgt.

Anwendungsgebiete: Fieberhafte Erkrankungen, rheumatische Beschwerden, Kopfschmerzen. Insbesondere die Wirksamkeit zur Behandlung In der Volksheilkunde allgemein bei grippalen Zuständen, Zahnschmerzen, zur Behandlung leichter Schmerzen, äußerlich bei Fußschweiß und zur Behandlung schlecht heilender Wunden. Daneben existieren eine Reihe weiterer volkstümlicher Indikationen, bei denen es keinen Beweis der Wirksamkeit gibt.

Gegenanzeigen: Magen-Darm-Geschwüre. Aufgrund ungenügender Datenlage sollte insbesondere hoch dosierte Extrakte aus der Weidenrinde nicht während der Schwangerschaft und Stillperiode eingenommen werden.

Unerwünschte Wirkungen: Prinzipiell ist von den gleichen Neben- und Wechselwirkungen und damit Gegenanzeigen auszugehen wie beim Gebrauch von Salicylsäurederivaten. In einer an Ratten durchgeführten neueren Arbeit zur antipyretischen Wirksamkeit von Salicin wurde als Nebenergebnis festgestellt, dass dieses selbst bei einer Dosierung von 5 mmol/kg zu keiner Magenschädigung führt. Demgegenüber bewirkt das Aglykon Saligenin ebenso wie Salicylsäure dosisabhängig zu schweren Läsionen der Magenschleimhaut. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass Salicin sehr langsam in unteren Darmabschnitten gespalten wird. Aus diesen Ergebnissen kann geschlussfolgert werden, dass bei Anwendung von qualitativ hochwertiger Weidenrinde die Nebenwirkungen von Salicylaten nicht zu erwarten sind.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Obwohl Salicin die Thombozytenfunktion nur in geringem Maß beeinflusst, kann eine Interaktion mit gerinnungshemmenden Mitteln nicht ausgeschlossen werden.

Dosierung und Art der Anwendung: Mittlere Tagesdosis für flüssige und feste Darreichungsformen zur innerlichen Anwendung einer Gesamtsalicinmenge von 60 bis 120 mg entsprechend. Zur Teebereitung existieren zahlreiche Vorschriften. Bevorzugt wird ein Kaltwasserauszug. Dazu 1 bis 2 Teelöffel Weidenrinde (1 Teelöffel = ca. 3,6 g) mit 1 bis 2 Tassen Wasser ansetzen und über Nacht ziehen lassen und tagsüber trinken. Für zum sofortigen Gebrauch vorgesehene Heißwasserauszüge einen Teelöffel fein geschnittener Weidenrinde mit ¼ Liter Wasser übergießen und ganz langsam zum Sieden erhitzen, davon 2 Tassen pro Tag trinken, oder ein einer Drogenmenge von nur 2 g entsprechenden Teelöffel in ein Glas geben und mit kochend heißem Wasser übergießen, 20 min ziehen lassen, abseihen und mehrmals täglich davon trinken. Zur Verwendung als Fiebermittel existieren ebenfalls verschiedene Angaben. Üblich sind 1 bis 2 g Weidenrindenpulver mehrmals täglich. Zur äußerlichen Anwendung 50 g Droge auf ½ Liter Wasser.


Bilder:

Salix cinerea: Wie bei den meisten Weiden erscheinen auch bei der in Mitteleuropa an feuchten Standorten weit verbreiteten Grau-Weide die in den typischen Kätzchen angeordneten Blüten vor den Blättern. Die linke Abbildung zeigt die männlichen Kätzchen, die rechte Abbildung ein weibliches Kätzchen.


Literatur: Akao T, Yoshino T, Kobashi K, Hattori M, Evaluation of Salicin as an Antipyretic Prodrug that does not Cause Gastric Injury, Planta Med. 68 (2002): 714-718; Chrubasik S, Pollak S, Weidenrindenextrakt: Wirksamkeit bei Schmerzen / Ergebnisse kontrollierter klinischer Studien, Schweizer Zeitschrift für GanzheitsMedizin 15 (2003): 298-302; Chrubasik S, Pollak S, Wirksamkeit von Weidenrindenextrakt bei Schmerzen, Zeitschrift für Phytotherapie 33 (2003): 263-266; Europäisches Arzneibuch, 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 6, Drogen P-Z, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1994; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 228 vom 05.12.1984; Wagner I, Biegert C, Heide L, Aktuelle Forschungsergebnisse zur Weidenrinde, Pharmazeutische Zeitung 148 (2003): 1153-1164.


© Thomas Schöpke