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Leinsamen - Lini semen [Ph. Eur. 7.1 (04/2011:0095)]

Stammpflanze: Linum usitatissimum L. / Saat-Lein, Flachs [Fam. Linaceae / Leingewächse]. Synonyme: Linum crepitans (BOENN.) DUMORT., Linum humile MILL., Linum usitatissimum var. humile (MILL.) PERS., Linum usitatissimum subsp. transitorium VAVILOV & ELLADI. Dt. Synonyme: Allgemeine Synonyme sind Flass und Haar. Ansonsten erfolgt häufig eine Unterscheidung von Sorten. Zu den Synonymen dieser Gruppe zählen Der blinde Flachs, Der sehende Flachs, Dreschlein, Frühflachs, Frühlein, Graslein, Klanglein, Klengel, Samenflachs, Schließlein, Spätflachs, Spätlein, Springlein, Springflachs und Stempenhaar. Englisch: Flax, linseed.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Einjährige, unbehaarte, je nach Variätät 20-60 cm [convar. crepitans (BOENN.) KULPA et DANERT; Spring-Lein], 40-70 [convar. mediterraneum (VAVILOV ex ELLIOT) KULPA et DANERT; Öl-Lein] bzw. 70 - 100 cm [convar. usitatissimum; Faser-Lein] hohe Pflanze mit langer, dünner weißer Pfahlwurzel. Stengel aufrecht und erst im oberen Teil sich in ebenfalls nach oben strebende Seitenäste verzweigend, dicht besetzt mit den schmalen, lineal-lanzettlichen, 3nervigen, bis 2,5 cm langen Blättern. Blüten am Ende der rispig verzweigten Sprossachse, langgestielt, 5zählig. Kelchblätter eiförmig und zugespitzt, am Rand fein bewimpert. Kronblätter himmelblau, schwach gewimpert, am oberen Rande wellig gekerbt. Staubblätter 10, am Grund zu einem schmalen Ring verwachsen, mit blau gefärbten Staubbeuteln. Fruchtknoten oberständig, 5gliedrig, etwa so lang wie die Staubfäden, Griffel 5, keulenförmig, sich während und nach der Blüte zusammenneigend. Kapselfrüchte 6-8 mm lang, kugelig-eiförmig, vorn zugespitzt, 5gliedrig, durch Teilung jedes Gliedes jedoch mit 10 überwiegend 1samigen Fächern. Samen 3,5-5,5 mm lang und 1 mm dick, flachgedrückt, glänzend, je nach Varietät grünbraun bis dunkelbraun. Blütezeit in Deutschland: Juni bis Juli.

Verbreitung: Lein ist eine uralte Kulturpflanze, von der heute keine Wildformen existieren. Mit Ausnahme der äquatorialen Länder gedeiht Lein weltweit bis weit über den Polarkreis hinaus.

Droge: Die getrockneten, reifen Samen.

Beschreibung der Droge: Gestalt flach, länglich eiförmig, Länge 4 bis 6 mm, Breite 2 bis 3 mm, Dicke 1,5 bis 2 mm. Ein Ende ist abgerundet, das andere bildet eine schräge Spitze, neben welcher der Nabel als schwache Einbuchtung sichtbar ist. Samenschale dunkel rötlichbraun, glatt und glänzend, unter der Lupe feingrubig erscheinend. Im Inneren befindet sich ein schmales, weißliches Endosperm und ein Keimling, der aus zwei großen, flachen, gelblichen und öligen Keimblättern besteht. Würzelchen gegen den Nabel zeigend.

Geruch und Geschmack: Geruchlos. Geschmack mild ölig, beim Kauen schleimig.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Flachsdottersamen, Flachslinsen, Flachssamen, Flaoskörnl, Haarlinsen, Horsamen, Leinkörnl, Leinwanzen, Linum-usitatissimum-Samen. Englisch: Flaxseed, linseed. Lateinisch: Semen Lini.

Herkunft: Obwohl auch ein Anbau in Deutschland erfolgt, stammt der überwiegende Teil der Droge aus Argentinien, Marokko, Belgien, Holland, Ungarn und Indien.

Gewinnung der Droge: Die Gewinnung der reifen Samen erfolgt durch Ausklopfen (Dreschen) der Kapseln. In den Handel gelangen ganze, leicht gequetschte und geschrotete Leinsamen (Leinsamenmehl). Leicht gequetschte Leinsamen bieten den Vorteil einer schnelleren Quellung im wässrigen Medium bei gleichzeitig relativ guter Haltbarkeit.

Inhaltsstoffe: Schleimstoffe: Gehalt zwischen 3 und 19 %. Lokalisiert in der Epidermis der Samenschale. Aus chemischer Sicht handelt es sich um ein Gemisch von einer neutralen (Anteil ca. 20 %) und zwei sauren Polysaccharidfraktionen (Anteil ca. 15 % bzw. 65 %). Die neutrale Fraktion besteht zum überwiegenden Teil aus Xylose (70%) und Arabinose (25%) sowie aus geringen Mengen an Glucose und Galactose. Die erste saure Fraktion liefert nach Hydrolyse Rhamnose, Galacturonsäure und Galactose, die zweite saure Fraktion darüber hinaus Fucose. Ballaststoffe: Gehalt ca. 25 %. Fettes Öl: Gehalt 30 bis 45 %. Überwiegend Triglyceride mit Linolensäure, Linolsäure und Ölsäure als dominierenden Fettsäuren. Proteine: 20 bis 27% Rohprotein. Mineralstoffe: Gehalt 3 bis 5%. Blausäureglykoside: Gehalt 0,01 bis 1,5%. Wichtigste Komponenten sind Linustatin und Neolinustatin, weitere Verbindungen Linamarin und Lotaustralin. Weitere Bestandteile: ca. 0,7% Phosphatide (Lecithine, Kephaline), Phytosterole (u. a. Cholesterol, Campesterol, Stigmasterol und Sitosterol), Triterpene (u. a. Cycloartenol), Lignane (Secoisolariciresinoldiglucosid) und deren Vorstufen, Enzyme (die für die Spaltung der Blausäureglykoside verantwortlichen Linamarase, Linustatinase), Vitamine und geringe Mengen an Flavonoiden.

Wirkungen: Leinsamen führen zu einer Volumenzunahme im Darm, regen durch diesen Dehnungsreflex die Darmperistaltik an und bewirken somit eine erleichterte und beschleunigte Stuhlentleerung. Infolge der abdeckenden Wirkung der Schleimstoffe besitzen sie ferner schleimhautschützende Eigenschaften.
Weiterhin konnte in verschiedenen Untersuchungen eine lipidsenkende Wirkung nachgewiesen werden. Erniedrigt wurde dosisabhängig der Gehalt von Cholesterol in der Leber, der Triglyceridgehalt, Gesamtcholesterol- und LDL-Cholesterol-Spiegel im Serum bei gleichzeitigem Anstieg des Gehalts an a-Linolsäure in den Plasma-Phospholipiden. Darüber hinaus existieren einige Belege dafür, dass eine mehrwöchige Leinsamendiät die Entstehung verschiedener Tumorerkrankungen verzögern kann. Als wirksame Substanz gilt hierbei das Secoisolariciresinoldiglucosid. Den Lignanen werden ferner antimitotische, antiestrogene und antioxidative Eigenschaften zugeschrieben.

Anwendungsgebiete: Innerlich werden Leinsamen bei habitueller Obstipation, durch Missbrauch von (anthranoidhaltigen) Abführmitteln geschädigtem Dickdarm, Colon irritabile und Divertikulitis verwendet, äußerlich als Kataplasma bei lokalen Entzündungen. Die Schleimzubereitung dient zur kurzfristigen symptomatischen Behandlung von Gastritis und Enteritis.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Neben den oben genannten Anwendungsgebieten werden Leinsamen in der Volksheilkunde ferner innerlich als Abkochung bei Blasenkatarrhen und -entzündungen, Krampfhusten, Lungenleiden, Schmerz- und Krampfzuständen verwendet. Äußerlich werden Leinsamen zur Entfernung von Fremdkörpern aus dem Auge verwendet. Zu diesem Zweck feuchtet man ein Samenkorn an, legt es unter das Augenlid und hält das Auge für einige Minuten geschlossen. Dabei soll der Fremdkörper an der durch die Einwirkung der Tränenflüssigkeit verschleimenden Epidermis des Leinsamens haften bleiben. Weiterhin dienen Leinsamen zur Herstellung von Kataplasmen, die bei entzündlichen Hautleiden wie z. B. eitrigen Abzessen, Furunkeln und Geschwüren angewendet werden. Ein Wirkungsnachweis liegt für keines der hier genannten volkstümlichen Anwendungsgebiete vor.

Gegenanzeigen: Darmverschluss jeglicher Ursache.

Unerwünschte Wirkungen: Bei Beachtung der Dosierungsanleitung (reichliche Flüssigkeitszufuhr, mindestens das Zehnfache der Menge der eingenommenen Leinsamen) sind Nebenwirkungen nicht bekannt. Hinweis: Leinsamen enthalten Cyanogene Glykoside, aus denen nach Abspaltung der Zuckerreste Blausäure freigesetzt wird. Durch Blausäure verursachte Vergiftungen wurden bisher nach Einnahme von Leinsamen noch nie beobachtet. In Versuchen zur Absicherung dieses Sachverhalts wurden Versuchspersonen große Mengen (150 bis 300 g) Leinsamenschrot verabreicht. Auch unter diesen Bedingungen traten keine Vergiftungssymptome auf.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Bei gleichzeitiger Aufnahme anderer Arzneimittel kann deren Resorption verzögert werden.

Dosierung und Art der Anwendung: Soweit nicht anders verordnet sollte 2- bis 3mal täglich l Esslöffel der unzerkleinerten oder leicht gequetschten (nicht geschroteten) Leinsamen zusammen mit jeweils ca. 150 ml Flüssigkeit eingenommen werden. Zur Bereitung eines Leinsamenschleimes zur Behandlung von Katarrhen oder bei Gastritis werden 5 bis 10 g unzerkleinerte Leinsamen mit kaltem Wasser angesetzt. Nach 20 bis 30 Minuten wird die Flüssigkeit abgegossen und verwendet. Zur äußerlichen Anwendung werden 30 bis 50 g Leinsamenmehl mit wenig heißem Wasser übergossen und als feucht-heißes Kataplasma bzw. als feucht-heiße Kompresse angewendet.

Sonstige Verwendung: Leinsamen werden als Nahrungsmittel zur Herstellung von Brötchen, Brot und anderen Backwaren verwendet. In der Landwirtschaft dient Leinsamenmehl gelegentlich als Tierfutter.


Bilder:

Der Saat-Lein oder Flachs zählt zu den ältesten Kulturpflanzen, die ihre große Bedeutung vor allem den langen Fasern der Sprossachse verdankt. Auch in Deutschland wird Lein gelegentlich angebaut, wobei die Felder aufgrund der blauen Blütenfarbe meist weithin sichtbar sind. Besonders charakteristisch ist neben den recht großen Blüten der dünne, aufrechte Stengel, der infolge der Fasern der Pflanze eine hohe Stabilität verleiht.


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 sowie 5. Ausgabe, 1. Nachtrag; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 228 vom 05.12.1984; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke