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Ginkgoblätter - Ginkgo folium [Ph. Eur. 7.0 (01/2011:1828]

Stammpflanze: Ginkgo biloba L. / Ginkgobaum [einziger Vertreter der ansonsten fossilen Klasse Ginkgoopsida (Ginkgoatae)]. Synonyme: Pterophyllus salisburiensis NELSON, Salisburia adiantifolia SMITH, S. macrophylla C. KOCH. Dt. Synonyme: Elefantenohrbaum, Entenfußbaum, Tempelbaum, Fächerblattbaum, Mädchenhaarbaum. Englisch: Ginkgo.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Stattlicher, 30 bis 40 m hoher, diözischer Baum mit zuerst schmal kegelförmiger, später ausladender Krone, der ein Alter von mehreren hundert Jahren erreichen kann. Die Rinde des Baumes ist hell- bis dunkelgraubraun und besitzt grobe Furchen und netzförmige Risse. Mit Kurz- und Langtrieben. Die Blätter sind fächerförmig, hellgrün gefärbt und mit dichotomer Blattaderung (Adern gabelig verzweigt und dann parallel verlaufend) und an Kurztrieben bis 7 cm und an Langtrieben bis etwa 10 cm lang. Erstmals nach 20 bis 30 Jahren blühend. Aus den einzeln in den Achseln von Laub- und Schuppenblättern stehenden weiblichen Blüten entwickeln sich die gelblichen bis goldgelben, kugelförmigen, 2,5 bis 3 cm großen kugelförmigen Samen.

Verbreitung: Heimisch wahrscheinlich in China, Japan und Korea. Wild wachsende Exemplare gab es angeblich noch zu Beginn des 20. Jahrhunderts im Südosten Chinas. Heute als Kulturpflanze in Parks und Gärten sowie als Straßenbaum weit verbreitet in Asien, Europa (eingeführt am Anfang des 18. Jahrhunderts) und Nordamerika, wobei die hohe Widerstandsfähigkeit der Art gegenüber Luftverschmutzung, Insektiziden und Pilzen von Nutzen ist.

Droge: Die getrockneten ganzen oder zerkleinerten Blätter, die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Flavonoiden von 0,5 Prozent aufweisen (berechnet als Flavonglykoside, bestimmt mittels HPLC).

Beschreibung der Droge: Blätter 4 bis 10 cm lang, zweilappig, vorne leicht wellig, an den Seiten stets ganzrandig. Typisch sind die gabelig verzweigten (schwer zu erkennen) und parallel verlaufenden (sehr deutlich zu erkennen), völlig identischen Adern (keine Mittelrippe). Farbe meist hellgrün, zuweilen bis tiefgrün mit etwas dunklerer Blattoberseite.

Geruch und Geschmack: Geruch und Geschmack schwach, eigenartig.

Herkunft: Importe aus China, Japan, Nord- und Südkorea. Ebenfalls aus Kulturen in Frankreich, Deutschland und den USA.

Inhaltsstoffe: Ca. 0,02-0,2 % Ginkgolide (komplexe Diterpenlactone) mit den Ginkgoliden A, B, C und J als Hauptkomponenten, 0,02-0,06 % des Sesquiterpens Bilobalid, 0,5-2 % Flavonolglykoside, 0,2-2 % Biflavone mit Amentoflavon, Bilobetin und Ginkgetin als Hauptkomponenten, 4-12 % Proanthocyanidine. Als Begleitstoffe u. a. auch Triterpene, organische Säuren, Carotinoide, Wachse.

Wirkungen: Für die Wirksamkeit werden nach heutigen Erkenntnissen die Diterpenlactone und Flavonolglykoside verantwortlich gemacht. Es bestehen signifikante Unterschiede zwischen unterschiedlich hergestellten Extrakten. Aus diesem Grund erfolgt die Herstellung von Extrakten zur Herstellung von Fertigpräparaten nach detaillierten Vorschriften, die in der Regel patentiert sind. Allgemeine Angaben zur Wirksamkeit von Ginkgoblättern sind daher nicht möglich. Die im Folgenden genannten Wirkungen beziehen sich daher auch ausschließlich auf den Trockenextrakt  (35-67:1) (Zusammensetzung: 22-27 % Flavonolglykoside, 5-7 % Terpenlactone, davon ca. 2,8 bis 3,4 % Ginkgolide A, B, und C, sowie ca. 2,6 bis 3,2 % Bilobalid; weniger als 5 ppm an Ginkgolsäuren), der durch Extraktion mit Wasser-Aceton gewonnenen wird! Steigerung der Hypoxietoleranz insbesondere des Hirngewebes, Hemmung der Entwicklung von traumatisch oder toxisch verursachten Hirnödemen sowie Beschleunigung der Rückbildung, Verzögerung der altersbedingt einsetzenden Reduktion von muskarinerg-cholinerger und α2-Rezeptoren und Förderung der Cholinaufnahme im Hippocampus, Förderung der Durchblutung des Gehirns und peripherer Bereiche und Verbesserung der Fließeigenschaften des Blutes, Steigerung von Lernvermögen und Gedächtnis, Inaktivierung toxischer Sauerstoffradikale, Hemmung der Thrombozytenaggregation und neuroprotektive Wirkung.

Anwendungsgebiete: Zur Behandlung von hirnorganisch bedingten Leistungsstörungen bei dementiellen Syndromen mit Schwindel, Ohrensausen, Kopfschmerzen, Gedächtnisschwäche, Konzentrationsstörungen, Stimmungslabilität mit Ängstlichkeit als wichtigsten Symptomen. Vor Beginn der Behandlung ist zu klären, ob die genannten Symptome nicht auf einer spezifisch zu behandelnden Grunderkrankung beruhen. Ferner bei peripheren arteriellen Durchblutungsstörungen und bei Tinitus (Ohrensausen).

Gegenanzeigen: Überempfindlichkeit gegen Ginkgo-biloba-Zubereitungen.

Unerwünschte Wirkungen: Sehr selten leichte Magen-Darm-Beschwerden oder allergische Hautreaktionen.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Nur in Form standardisierter Extrakte in 2 oder 3 Einzeldosen einer Tagesdosis von 120-240 g nativem Trockenextrakt entsprechend.

Ergänzende Bemerkungen: Der Nachweis der Wirksamkeit von Ginkgo-Präparaten war und ist Gegenstand zahlreicher klinischer Studien. Neben positiven Ergebnissen, die bei der Prüfung genannter Spezialextrakte erzielt we(u)rden, gibt es immer wieder Berichte über negative Resultate. Die Ursache dafür scheint nicht nur in den verwendeten Extrakten sondern auch in einem falschen Studiendesign zu bestehen, d. h. insbesondere in einer Probandenauswahl, bei denen keine exakte Diagnose des Krankheitsbildes vorliegt.

Sonstige Verwendung: In der Kosmetik zur Hautpflege und in Haarwaschmitteln. Die gerösteten Samenkerne werden in Ostasien in ähnlicher Weise wie Pistazien im Haushalt verwendet.


Bilder:

Ginkgo biloba L. ist ein stattlicher Baum, der ein Alter von mehreren hundert Jahren erreichen kann und der als einziger Vertreter der Klasse Ginkgoopsida bis in die Neuzeit überlebt hat. Die fächerförmigen, hellgrün gefärbten Blätter weisen die bei "modernen Pflanzen" unbekannte dichotome Blattaderung auf, bei der die Adern gabelig verzweigt sind und dann parallel verlaufen (s. rechte Abbildung).


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Band 5, Drogen E-O, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 1993; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 1997; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 133 vom 19.07.1994; Johanniskraut und Ginkgo biloba in der Geriatrie, Deutsche Apotheker Ztg. 138: 4118 (1998); Wird die Wirkung von Ginkgo biloba auf die Hirnleistung überschätzt?, Deutsche Apotheker Ztg. 139: 2300 (1999); Wirksamkeit von Ginkgospezialextrakt bei Demenz ist auch aufgrund neuerer Studien zweifelsfrei erwiesen, Deutsche Apotheker Ztg. 139: 2637 (1999); US-Studie zu Ginkgo-biloba-Extrakt, Pharm. Ztg. 143: 248 (1998)


© Thomas Schöpke