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Enzianwurzel - Gentianae radix [Ph. Eur. 7.0 (01/2008: 0392)]

Stammpflanze: Gentiana lutea MILL. / Gelber Enzian [Fam. Gentianaceae / Enziangewächse]. Synonyme: Asterias lutea BORKH.; Swertia lutea VEST. Dt. Synonyme: Großer Enzian, Bitterwurz, Fieberwurzel, Bergfieberwurzel. Englisch: Yellow gentian, Common gentian, Great yellow gentian, Bitter wort.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Ausdauernde, zur Blütezeit sehr stattliche Pflanze. In den ersten Lebensjahren wird nur eine grundständige Blattrosette ausgebildet. Gleichzeitig entwickelt sich das sehr kräftige, bis armdicke Rhizom und die bis zu einem Meter lange und 3 bis 5 cm dicke Hauptwurzel. Die Höhe der blühenden Pflanze kann bis etwa 1,5 Meter erreichen. Die ganze Pflanze ist unbehaart und daher etwas glänzend. Die oval bis elliptisch geformten, blaugrün gefärbten, bis 30 cm langen und bis 15 cm breiten Blätter sind gegenständig angeordnet und sitzend (obere Blätter) bzw. kurz gestielt (untere Blätter). Auffallend ist die kräftige, aus 5 bis 7 bogenförmig verlaufenden Nerven bestehende Blattnervatur. Die langgestielten, 5zähligen Blüten befinden sich in 3- bis 10blütigen, trugdoldigen Teilblütenständen im oberen Drittel der Pflanze in den Achseln von schalenförmigen Tragblattpaaren. Die Kelchblätter sind häutig, blassgelb gefärbt und einseitig aufgeschlitzt. Die gelben Kronblätter sind nur unmittelbar am Grunde miteinander verwachsen. Die einzelnen Kronzipfel sind schmal-lanzettlich und vorne spitz. Die Staubblätter sitzen zwischen den Kronblättern, sind fast so lang wie diese und besitzen einen auffallend großen Staubbeutel. Der Fruchtknoten ist oberständig, der Griffel kurz und die Narbe 2teilig. Die bis 6 cm lange Kapselfrucht kann bis 100 Samen enthalten. Blütezeit: Juni bis August.

Verbreitung: Gebirge Mittel- und Südeuropas. Die West-Ost-Verbreitung reicht von den Pyrenäen bis zum Balkan. Im Norden bis zum Schwarzwald und nach Unterfranken.

Droge: Die getrockneten, zerkleinerten, unterirdischen Organe von Gentiana lutea L.

Beschreibung der Droge: Die annähernd zylindrischen Wurzelbruchstücke sind einfach oder verzweigt und in der Regel 1 bis 4 cm dick. Aus dem Rhizom stammende Drogenbruchstücke können bis 8 cm dick sein. Farbe: Außen braungrau, der Bruch gelblich bis rötlichgelb, aber niemals rötlichbraun. Oberflächenbeschaffenheit: Wurzel längs gerunzelt, gelegentlich mit Narben von Wurzelfasern. Rhizom oft mit Knospen sowie kreisförmige, sehr eng angeordnete Blattnarben. Allgemeine Beschaffenheit: Beim Trocknen leicht spröde werdend und mit glattem Bruch brechend. Leichte Aufnahme von Feuchtigkeit möglich, was zu biegsam werdender Droge führt. Querschnitt: Äußeres Drittel als Rinde erkennbar, getrennt durch ein deutliches Kambium vom innen befindlichen, undeutlich gestreiften Holzparenchym.

Geruch und Geschmack: Geruch charakteristisch, entfernt an getrocknete Feigen erinnernd. Geschmack anhaltend stark bitter.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Radix gentianae; Deutsch: Bitterwurzel, Fieberwurzel, Hochwurzel; Englisch: Yellow gentian.

Herkunft: Praktisch ausschließlich aus Wildvorkommen, hauptsächlich aus Frankreich (Zentralmassiv und Pyrenäen), Spanien (Pyrenäen), Italien und den Balkanländern. In Deutschland unter Naturschutz! Aus laufenden Anbauversuchen stammende Droge mengenmäßig nahezu bedeutungslos.

Inhaltsstoffe: Hauptinhaltsstoffe der Droge sind Bitterstoffe, bei denen es sich aus chemischer Sicht um Glykoside von Seco-Iridoiden handelt. Mengenmäßig dominierende Komponente mit einem Gehalt von 2 bis 3 % ist das Gentiopikrosid (Synonym: Gentiopikrin), welches allerdings aufgrund des geringen Bitterwerts von ca. 12.000 nur unwesentlich am bitteren Geschmack der Droge beteiligt ist. Weitere ähnliche Glykoside das Swertiamarin und das Swerosid. Wertbestimmender Bestandteil mit einem Bitterwert von etwa 58.000.000 ist das Amarogentin. Die in der Literatur genannten Angaben zum Gehalt von Amarogentin schwanken zwischen 0,025 und 0,5 %. Der durchschnittlich zu findende Gehalt sollte 0,01 bis 0,2 % betragen. Chemisch ist Amarogentin ein acyliertes Derivat von Swerosid. Weitere Inhaltsstoffe von Enzianwurzel sind Kohlenhydrate (Mono-, Di-, Tri- und Polysaccharide, Gehalt 30 bis 55 %), Xanthone (Gentisin, Isogentisin, Gentisein u. a.) und sehr geringe Mengen an ätherischem Öl. Bemerkenswert aus der Gruppe der Kohlenhydrate sind das bitter schmeckende Disaccharid Gentiobiose (ß-D-Glucopyranosyl -6-O-ß-D-glucopyranosid, Gehalt ca. 5 bis 8 %) sowie das Trisaccharid Gentiotriose [ß-D-Glcp(1-->6) -ß-D-Glcp(1-->2) -ß-D-Fruf], aus dem beim Trocknen durch Abspaltung der Fructose Gentiobiose gebildet wird, sowie die für das Quellen der Droge verantwortlichen Polysaccharide.

Wirkungen: Anregung der Speichel- und Magensaftsekretion. Dies erfolgt reflektorisch über eine Reizung der Geschmacksrezeptoren. Aus Tierexperimenten auch Hinweise auf eine Steigerung der Bronchialsekretmenge.

Anwendungsgebiete: Verdauungsbeschwerden wie Appetitlosigkeit, Völlegefühl, Blähungen sowie bei Magenbeschwerden, die durch eine mangelnde Magensaftbildung verursacht werden.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Innerliche Anwendung: In der Volksheilkunde häufig auch in Kombination mit anderen Drogen, fast ausschließlich aber bei den oben genannten Anwendungsgebieten. Früher auch als Mittel gegen Fieber, mit dieser Indikation heute jedoch bedeutungslos. Äußerlich Keine Angaben.

Gegenanzeigen: Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre.

Unerwünschte Wirkungen: In sehr seltenen Fällen ist gelegentliches Auftreten von Kopfschmerzen möglich.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Soweit nicht anders verordnet, 2-4mal täglich zur Appetitanregung jeweils ca. 30 min vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten eine Tasse des wie folgt bereiteten Teeaufgusses trinken: 1 knapper Teelöffel voll (ca. 1 g) Enzianwurzel oder die entsprechende Menge in einem oder mehreren Aufgußbeutel(n) wird mit siedendem Wasser (ca. 150 ml) übergossen und nach etwa 10 bis 15 Minuten gegebenenfalls durch ein Teesieb gegeben. Alternativ ist ein Kaltansatz möglich, wobei die Droge etwa 8 bis 10 Stunden ziehen muss.

Sonstige Verwendung: In den Alpen und im Jura zur Herstellung von Enzian-Branntwein ("Enzler"). Hierzu werden die Wurzeln nach der Ernte fermentiert, später mit Wasser versetzt, vergoren und schließlich destilliert. Der aromatische Geschmack beruht im wesentlichen auf dem in geringer Menge vorkommenden ätherischem Öl. Alkoholisch-wässrige Auszüge für Apéritif-Getränke (sog. Alpenbitter), dies jedoch meist im Gemisch mit weiteren Pflanzen, die Bitterstoffe enthalten.


Bilder:
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Der Gelbe Enzian ist einer der stattlichsten Pflanzen der zentral- und südeuropäischen Gebirge (linke Abbildung). Neben den Blütenständen auffälligstes Merkmal sind die gegenständigen, großen, ganzrandigen, graugrünen Blättern mit den intensiven Blattnerven. Die gelben Blütenblätter sind nur am Grunde verwachsen und bei voller Blüte ausgebreitet (rechte Abbildung).

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Literatur: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis, Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York; M. Wichtl (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002; Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002, 6. Nachtrag und 5. Ausgabe, Grundwerk 2005; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 223 vom 30.11.85 (Berichtigung 13.03.90).


© Thomas Schöpke